Rede von Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands, zur Demonstration „Gegen Hass und Rassismus im Bundestag“ am 22. Oktober 2010 in Berlin mit rund 12.000 Teilnehmern:
"Eine neue Gewalt überzieht Europa und die USA. In den Medien wird sie meist verniedlichend Rechtspopulismus genannt. Wir sagen, um was es geht: den Aufstieg von Reaktionären.
Wir stellen fest: Nationalismus und Rassismus sind wieder da – mit alten und neuen Gesichtern, in alten und neuen Formen, vor allem unter dem Deckmantel der AfD.
Sie nutzt schamlos aus, dass unser Land in einer tiefen Interpretations- und Orientierungskrise steckt. Das System Merkel hat unser Land unpolitisch gemacht und die öffentlichen Debatten gelähmt. Gerade deshalb sind wir hier. Wir machen da nicht mit. Wir wehren uns gegen Hetze, wir wehren uns gegen Hass, wir sagen Nein zur Ausgrenzung.
Wir melden uns zu Wort. Denn Schweigen käme einem historischen Versagen gleich. Ganz so, wie Antonio Gramsci das gesagt hat: „Alles hat ein Innen und ein Außen. Die Macht der Herrschenden ist immer auch die Ohnmacht der Beherrschten“. Mein Verband, die NaturFreunde, hat sich auch 1933 zu Wort gemeldet. Viele von uns waren im Widerstand gegen den Faschismus, viele sind in den KZs von den Nazis ermordet worden.
Andere Naturschutz-, Heimat- oder Wanderverbände sind der Blut-und-Boden-Ideologie hinterhergelaufen oder haben Hitler begrüßt. Glücklicherweise sind die Nachfolger anders, der BUND betreibt beispielsweise eine eindeutige Abgrenzung gegen die AfD.
Damals war auch der Natur- und Umweltschutz ein rassistisches Thema. Man sprach von der Eugenik der Natur. Die Landschaften in Europa sollten arisch werden. Um die KZs sollten Bäume gepflanzt werden, die das Grauen nicht sichtbar machen sollten. Das alles dürfen wir nicht vergessen.
Auf den Listen der AfD kandidieren auch Klimaskeptiker, die den Klimawandel leugnen. Und das in fataler Gemeinsamkeit zum Beispiel mit der Zeitung WELT, die Informationen des Umweltbundesamtes zum Klimawandel als „Reichsgesinnungsbehörde“ diffamiert hat. Das sind die Verführer von gestern mit neuen Themen, die unsere Gesellschaft nach rechts ziehen.
Von Norbert Elias wissen wir, was Zivilisierung der Gesellschaft heißt, nämlich Gewalt sozial bändigen. Rassismus ist Gewalt. Nationalismus sozial bändigen. Nationalismus ist Gewalt. Es hat nichts mit einer zivilen Gesellschaft zu tun, was viele Funktionäre der AfD, was die Pegida und was andere betreiben. Es ist reaktionär. Es ist die Dezivilisierung unserer Gesellschaft.
Die AfD ist das armselige Glaubenssystem geistiger Zwerge. Deren Dreifaltigkeit heißt Staatsgrenzen, Staatsvolk und bloß nicht aus der Geschichte lernen. In Wahrheit geht es ihnen auch nicht um Ausländer, gemeint sind Türken, Araber und Muslime, die sie nutzen, um Angst in die Gesellschaft zu tragen und Vorurteile zu verstärken. So fressen sie sich hinein in die Gesellschaft und schüren einen alltäglichen Rassismus, der die Gesellschaft spaltet.
Wir sind hier, weil wir für die großen Ideen der europäischen Moderne, die Ideen von Aufklärung und Vernunft, von Freiheit, Gleichheit und Solidarität verteidigen. Wir sind hier, weil wir aus der Geschichte gelernt haben. Wir sind hier, um stärker zu werden."