Wo bleibt die Bundeskanzlerin beim Gedenken an den Ersten Weltkrieg?

NaturFreunde vermissen ein klärendes Wort von Angela Merkel zur Kriegsschuldfrage

Anlässlich der Gedenkfeiern zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erklärt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller:

Am 29. Juli 1914 setzte der Habsburger Kaiser Franz Joseph seine Truppen in Gang, um die Ermordung des österreichischen Erzherzogs durch den gerade zwanzigjährigen bosnischen Nationalisten Gavrilo Princip zu rächen. Nach dem diplomatischen Vorspiel der Julikrise löste Wien die mörderische Spirale aus, die zu 17 Millionen Toten und 40 Millionen Verletzten führte. Aus einem lokalen Konflikt wurde der erste Kontinentalkrieg. Schlimmer noch: Es war der erste industrielle Krieg mit einer neuen Dimension von Gewalt mit Maschinengewehren, U-Booten, Giftgas und Panzern – aber er wurde geführt Mann gegen Mann. Der Krieg begann euphorisch mit Pickelhaube, Bajonetten und Standarten, wurde geführt in Stellungskriegen und Abnutzungsschlachten und endete im Zusammenbruch des europäischen Staatensystems.

Deutschland wollte zur größten Kolonialmacht aufsteigen
Der Erste Weltkrieg war keine Verkettung unglücklicher Umstände, sondern von Wien und Berlin gewollt. Und die niedergehende Doppelmonarchie an der Donau hätte ihn nie begonnen, wenn nicht in Berlin eine Clique aus Adel und Militär auf den Knopf gedrückt hätte – mit dem Segen der Kirche. Natürlich war es das Zeitalter des Imperialismus, und daran waren viele europäische Mächte beteiligt. Doch für die alten Herren in Berlin und Wien voller Nationalismus und Militarismus war es der „Verteidigungskampf der deutschen Kultur“. Deutschland fühlte sich eingeengt und unterdrückt, es wollte einen „Platz an der Sonne“ und zur größten Kolonialmacht aufsteigen. Das Ancien Regime war unfähig für den Frieden und die ausgleichende Politik Bismarks vorbei. Wilhelm II. wollte den Krieg – „besser jetzt als später“.

Die NaturFreunde Deutschlands begrüßen, dass es in diesen Tagen ein breites öffentliches Erinnern an den Ersten Weltkrieg gibt mit eindrucksvollen Veranstaltungen. Dafür geht der Dank an viele Institutionen, Organisationen und Medien. Aber es bleiben bedrückende Fragen: Wo bleibt ein nationales Gedenken? Was macht eigentlich die Bundesregierung, zumal Deutschland die Schlüsselrolle für den Ersten Weltkrieg hatte? Was macht die Bundeskanzlerin, warum fehlt ihr die Fähigkeit zu trauern? Warum schweigt sie zur Kriegsschuldfrage?

In Frankreich, in Belgien, in Großbritannien organisieren die Regierungen eindrucksvolle Gedenkveranstaltungen. In Deutschland hört man von der Bundesregierung kaum etwas. Dabei wäre es angebracht, in der Kriegsschuldfrage eindeutig Stellung zu beziehen. Aber Angela Merkel ist kein Willy Brandt. Hätte sie ihren Urlaub nicht für eine Gedenkveranstaltung unterbrechen oder später beginnen können? Sind Pausen zu Musikveranstaltungen in Bayreuth und Salzburg tatsächlich wichtiger als die deutsche Geste der Entschuldigung und Versöhnung?

Die NaturFreunde Deutschlands sind enttäuscht über den Kleingeist von Kanzlerin Merkel.

[Lesen Sie auch die Titelgeschichte der NATURFREUNDiN 2-14
Das Tagebuch des Edmund Lindner - Wie sich erstmals die Welt bekriegte
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